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Forschungsgeschichte

Doliche war als Heimat des Iuppiter Dolichenus ein Ort von überregionaler Bedeutung. Trotzdem hat die moderne Forschung der Stadt zunächst wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Der belgische Forscher Franz Cumont hat die Ruinen Doliches im Jahr 1907 zum ersten Mal beschrieben und auch das Heiligtum des Iupiter Dolichenus auf dem Dülük Baba Tepesi lokalisiert. Die wenigen obertägig sichtbaren antiken Spuren weckten jedoch in der Folge nur wenig Interesse. 

Blick über das Dorf Dülük auf den Keber Tepe 1972 (Foto: J. Wagner)

In den 1950er und 1980er Jahren rückte dann durch Ausgrabungen Enver Bostancıs am Westabhang des Keber Tepe die Rolle Doliches Ortes als paläolithischer Fundplatz in den Vordergrund. Dem antiken Stadtgebiet widmete lediglich Jörg Wagners in den 1970er Jahren Aufmerksamkeit. Es folgten zu Beginn der 1990er Jahre Forschungen Rifat Ergeçs zu den ausgedehnten Nekropolen der Stadt. 

Erst die Entdeckung zweier Mithräen am Fuße des Keber Tepe in den Jahren 1997 und 1998 leitete den Beginn systematischer historisch-topographischer und archäologischer Untersuchungen ein. Von 1998 bis 2000 wurden Grabungen in den Mithräen durchgeführt, danach konzentrierten sich die Forschungen auf das Heiligtum des Iuppiter Dolichenus auf dem Dülük Baba Tepesi. 2010 und 2011 wurden dann erstmals Testgrabungen im Stadtgebiet durchgeführt. In der Folge wurde ein Konzept zur Erforschung Doliches entwickelt. Es sieht geophysikalische und archäologische Surveys sowie Grabungen im Bereich der der spätantiken Stadt am Südhang und im öffentlichen Raum der Kaiserzeit vor. Nach positiver Evaluierung durch die DFG wurde 2015 mit der Umsetzung des Projektes begonnen. 

Sondagen: Erste Arbeiten auf dem Keber Tepe

Parallel zu den Arbeiten auf dem Dülük Baba Tepesi wurden 2010 und 2011 unter der Leitung von M. Önal mehrere Sondagen auf dem Keber Tepe angelegt. Diese dienten dazu, Bereiche für künftige Grabungstätigkeiten zu sondieren. 

Bereits 2010 konnte hierbei das Stadtarchiv des antiken Doliche lokalisiert werden, was durch weitere Sondagen im darauffolgenden Jahr Sondagen bestätigt wurde. Dabei kamen fast 500 Siegelabdrücke zu Tage. Sie zeigen z. B. der Stadtgöttin Tyche, Darstellungen des Iuppiter Dolichenus und römischer Kaiser sowie zahlreiche Götter-, Tier- und Mythendarstellungen. Weitere Sondagen brachten aufwendige Mosaiken und zahlreiche Bauglieder zum Vorschein. 

Grundzüge der historischen Entwicklung Doliches

Schon viele tausend Jahre vor der Gründung der Stadt Doliche auf dem Keber Tepe lebten hier Menschen. Die heute noch eindrucksvollen Felsüberhänge am Westhang des Keber Tepe wurden in der Altsteinzeit (ab ca. 300.000 v. Chr.) regelmäßig von umherziehenden Menschengruppen als Unterschlupf genutzt. Bei türkischen Ausgrabungen in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden im Bereich nördlich des Eingangs zu den Mithräen zahlreiche Steinwerkzeuge aus diesen frühen Epochen geborgen. Auch an den Hängen und Terrassen des Çimșit Tepe oberhalb des Dorfes Dülük wurden zahlreiche Steinabschläge und Steinbeile aus der Altsteinzeit gefunden, die auf eine Werkzeugproduktion an diesem Ort hinweisen. Damit gehört Doliche/Dülük zu den ältesten bekannten menschlichen Siedlungsplätzen in Anatolien. 

Nach dem Tod Alexanders des Großen, der das Perserreich erobert hatte, gehörte das Gebiet um Doliche seit dem Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. zum Seleukidenreich. Dieses ist nach seinem Gründer Seleukos benannt, der Offizier in Alexanders Armee war. Nach zahlreichen Kriegen gelang es ihm, Kleinasien, Syrien und den Nahen Osten zu beherrschen. Seine Nachkommen herrschten bis 64 v. Chr. in Syrien. Doliche wurde bereits im 3. Jh. v. Chr. gegründet, entwickelte aber erst im Laufe des 2. Jh. v. Chr. städtischen Charakter. Doliche lag geschützt am Rande einer fruchtbaren Ebene an einer wichtigen Verbindungsstraße zwischen Mesopotamien und Anatolien. Außerdem befand sich auf dem nahe gelegenen Dülük Baba Tepesi ein altes Heiligtum des Sturmgottes. Dieser Gott wurde zum Hauptgott der neuen Stadt Doliche. Das Heiligtum war für die Entwicklung der Stadt sehr wichtig, da es einen guten Ruf hatte und viele Menschen anzog. 

Die Geschichte der Stadt in hellenistischer Zeit ist im Detail unbekannt. Sicher ist jedoch, dass Doliche nach 64 v. Chr. für mehr als 30 Jahre zum Königreich Kommagene gehörte, das in der Mitte des 2. Jh. v. Chr. im Gebiet der heutigen Provinz Adiyaman entstanden war und die Landschaft zwischen Taurus und Euphrat umfasste. Kommagene ist vor allem durch die Bauten und Inschriften seines bedeutendsten Königs Antiochos I. bekannt, dessen Grab auf dem Nemrut Dağ weltberühmt ist. Wie an vielen anderen Orten seines Reiches ließ sich der König auch im Heiligtum von Doliche als Gott verehren. Davon zeugt eine Inschrift, die sich heute im Museum von Gaziantep befindet. 

Doliche gehörte nicht lange zum Königreich Kommagene. Bereits 30 v. Chr. übernahmen die Römer die Herrschaft über Doliche und Zeugma. Die römische Herrschaft bedeutete für die Stadt eine Zeit des Aufschwungs. Über die Straße, an der Doliche lag, gelangten Handelsgüter aus dem Osten in das Römische Reich. Wegen der vielen Kriege, die Rom gegen die Parther und Perser führte, mussten hier auch oft römische Soldaten aus anderen Teilen des Reiches nach Osten ziehen. Viele dieser Soldaten gehörten zu den Verehrern des Gottes von Doliche, den sie mit dem lateinischen Namen Iuppiter Dolichenus anriefen. Die Soldaten trugen seine Religion in alle Teile des Römischen Reiches. So findet man heute Tempel des Gottes von Doliche in England, Deutschland, Italien, Spanien und vor allem in den Donauländern. Um 200 n. Chr. war Iuppiter Dolichenus einer der wichtigsten Götter der antiken Welt. Die Stadt und vor allem das Heiligtum auf dem Dülük Baba Tepesi profitierten vom Ruhm des Iuppiter Dolichenus. Die Ergebnisse der Ausgrabungen im Stadtgebiet zeugen vom Reichtum dieser Zeit. Die Blütezeit von Doliche fand jedoch ein gewaltsames Ende. Der Perserkönig Šāpūr I. besiegte die Römer in mehreren Kriegen und zerstörte bei einem Feldzug im Jahre 253 n. Chr. die Stadt und das Heiligtum. 

Im 4. Jh. n. Chr. erholte sich Doliche wie die gesamte Region. Inzwischen hatte sich das Christentum durchgesetzt. Das Heiligtum des Iuppiter Dolichenus war nicht mehr in Betrieb. Doliche wurde Bischofssitz. Vom neuen Wohlstand der Stadt in dieser Zeit zeugt die im Stadtgebiet ausgegrabene Basilika aus dem 4. Jh. n. Chr. Aus späterer Zeit stammen auch zwei Felskirchen, die außerhalb des Stadtgebietes am Rande der Stadtnekropole liegen. 

Im 7. Jh. n. Chr. eroberten die Araber Doliche und machten die Stadt zu einer Grenzfestung gegen das Byzantinische Reich. Im 10. Jh. n. Chr. gelang es den Byzantinern, die Stadt zurückzuerobern. Zu dieser Zeit wurde Doliche Verwaltungshauptstadt der Region. Später wurde Doliche Teil der lateinischen Grafschaft Edessa, wurde aber 1156 n. Chr. von Nur ad-Din, dem türkischen Herrscher über Syrien, zerstört. Danach verlor Doliche seine Rolle als Vorort der Region an das benachbarte Ayntab/Gaziantep.