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Kampagne 2021

Ziele der Grabungsarbeiten 2021

Im Zentrum der Kampagne 2021 stand zum einen die Untersuchung des im Jahr 2020 erworbenen Feldes 414 im Südosten des Stadtgebietes, zum anderen die Fortführung der Grabungen im Bereich der Basilika am Südhang des Keber Tepe .

Die Entdeckung eines monumentalen Tempels aus römischer Zeit

Im Sommer 2021 wurden auf dem neuen Feld erstmals Suchschnitte, die sich auf die Ergebnisse der geophysikalischen Untersuchungen stützten, angelegt. Die Schnitte waren zunächst jeweils 15 m lang und 2 m breit, wurden später aufgrund der Befundsituation nach Norden und Süden erweitert.

Zentrales Ergebnis der Grabungen war die Entdeckung eines monumentalen Tempels im Osten des Felds. Entscheidend für die Identifizierung waren Befunde unterhalb verschiedener Füllschichten, insbesondere die südliche Hälfte einer Apsis, deren Durchmesser auf 12 m rekonstruiert werden kann.

Für deren Errichtung war zunächst der anstehende Fels bis zu 2,5 m tief abgearbeitet werden, so dass eine entsprechend hohe senkrechte Felskante entstand, gegen welche die Apsis nach Westen stößt. Von der Apsismauer selbst ist lediglich eine Lage mit einer Höhe von 0,7 m erhalten. Nach Westen endet die freigelegte Apsis in einem breiten Pfeiler mit Halb- oder Dreiviertelsäule.

Vor dem Pfeiler öffnet sich ein 1,5 m breiter Durchgang von der Apsis aus nach Süden. Hier konnte man offenbar in einen Nebenraum gelangen, der jedoch noch nicht freigelegt ist. Dafür konnte 5 m weiter südlich eine zweireihige, 1,7 m breite Mauer erfasst werden, die im Westen parallel zur Apsis am abgearbeiteten anstehenden Felsen ansetzt und nach Osten verläuft. Sie lässt sich bislang auf einer Länge von 4 m verfolgen. Die Fortsetzung dieser Mauer konnte allerdings 22 m weiter östlich erfasst werden. Dort liegt der anstehende Felsen zwar nur wenige Zentimeter unter der rezenten Oberfläche, hier sind jedoch zwei parallele ost-west verlaufende Gräben 3 m tief in den Felsen gegraben worden. Diese Gräben können als Fundamentgräben interpretiert werden. Wegen des in diesem Bereich besonderes tonig-weichen Kalksteins scheint es notwendig gewesen zu sein, mächtige Fundamente in den anstehenden Felsen zu setzen.

Die Gesamtsituation – ein monumentaler langrechteckiger Bau, der im Westen mit einer weiten Apsis abschließt, die über kleine Nebenräume verfügt – und die Datierung des Baus in die römische Kaiserzeit, die anhand zahlreicher Elemente des Baudekors gesichert ist, lässt nur eine Interpretation als Tempel zu.

Die nachgewiesene west-östlich verlaufende Mauer ist die südlichen Cellamauer, was bedeutet, dass der Baukörper eine Gesamtbreite von gut 30 m aufweist. Zu erwarten ist eine innere Säulenstellung, die mit den Halbsäulen, welche die Apsis nach Osten abschließen, fluchtet. Zudem deutet der parallel zum Fundamentgraben der Cellamauer laufende zweite Fundamentgraben darauf hin, dass die Cella an den Seiten von Säulen umstanden war. Zentrales und ungewöhnliches Element des Tempels ist die Apsis, in der das Kultbild bzw. die Kultbilder aufgestellt gewesen sein müssen. Vom eigentlichen Cellaraum war sie wahrscheinlich durch eine Bogenarchitektur getrennt, worauf ein rechteckiger Pfeiler hindeutet, dessen profilierter Fuß nördlich der Halbsäule, welche die Apsis abschließt, freigelegt werden konnte. 

Die Erforschung dieses neuen Tempels steht zweifelsohne erst am Anfang. Trotz der starken Zerstörungen durch eine lange Nachnutzung und Steinraub vermitteln aber die bislang freigelegten Reste auch heute noch einen guten Eindruck von seiner Monumentalität. Zudem erlauben zahlreiche Kapitell- und Gebälkfragmente von beachtlicher Größe, den Aufbau des Heiligtums schon jetzt sehr genau zu konstruieren.

Zudem zeichnet sich ab, dass der Dolichener Tempel wie angedeutet sich durch seine eigenwillige Gestaltung des Innenraumes mit großer Apsis von den üblichen Tempelbauten des östlichen Mittelmeerraumes unterscheidet. Wer in dem neu entdeckten Heiligtum verehrt wurde, ist bislang noch ungeklärt. Möglich scheint aber, dass es sich um eine Anlage des römischen Kaiserkultes handeln könnte.

Die Grabungen am Südhang – Die Hangkirche und die angrenzende spätantike Bebauung

Auch 2021 bildete die Ausgrabung der frühchristlichen Basilika am Südhang des Keber Tepe einen Schwerpunkt der Arbeiten. Dabei wurden zwei weitere Schnitte angelegt, um weitere Teile des zentralen Mittelschiffs freizulegen. Dabei ist es vor allem gelungen, das Bema, eine erhöhte Plattform, auf welcher während des Gottesdienstes der Klerus saß, fast vollständig auszugraben.

Das Bema hat eine rechteckige Form, ist 6,5 m lang und 5 m breit. Der Boden ist mit einem Mosaik geschmückt, das ein komplexes geometrisches Muster aufweist und sich durch die Verwendung besonders kleiner Tesserae auszeichnet. Damit unterstreicht es die herausgehobene Bedeutung dieses Bereiches innerhalb der Kirche. Große Teile des Bemas sind allerdings durch alte Raubgrabungen zerstört worden. Hier war es dadurch möglich, erstmals das tieferliegende, ältere Mosaik des Mittelschiffs großflächig aufzudecken. Wie erwartet ist der Erhaltungszustand des älteren Mosaikes sehr gut. Es ist wie das darüberliegende Mosaik mit einem komplexen Rapport aus Mäandern und geometrischen Ornamenten geschmückt.

Allerdings zeigte sich, dass der gesamte Boden des Mittelschiffs mit einem farbigen geometrischen Dekor geschmückt ist. Etwa entlang der Mittelachse der Kirche markiert ein einfacher Streifen den Übergang zu einem einfarbig-weißen Mosaik. Dieser Befund ist überraschend und lässt sich bislang nicht erklären. Parallele Befunde aus anderen Kirchen der Region scheint es nicht zu geben.

Auch die sich im Osten an die Kirche anschließende Bebauung, die zwischen 2018 und 2020 entdeckt worden war, wurde weiter erforscht. Dabei kam unterhalb weitgehend fundleerer Füllschichten die Fortsetzung eines bereits 2018 entdeckten Mosaikbodens aus großen weißen Tesserae zu Tage, der einen großen Raum bedeckt.

Wie sich nun zeigt, ist er unmittelbar an die Kirche angebaut und teilt sich mit dem südlichen Apsisnebenraum eine Mauer. Wegen des abfallenden Geländes ist der westliche Abschluss des Raumes verloren, doch muss man davon ausgehen, dass er bis an die Portikus reichte, die dem südlichen Seitenschiff vorgelagert ist. Insgesamt ist der Raum nun auf Fläche von 70 qm freigelegt. Seine Funktion lässt sich allerdings noch nicht bestimmen. Er ist jedoch Teil eines weitläufigen und repräsentativen Baukomplexes, der wahrscheinlich im 6. Jh. n. Chr. im Osten an die Kirche angesetzt wurde. Soweit bisher erkennbar, bildet ein großer trapezoider Hof, der sich unmittelbar an die Apsis der Kirche anschließt, das Zentrum des Komplexes. Weitere Teile dieses Hofes sind in einem weiteren Schnitt auf einer Fläche von 5 x 2 m freigelegt worden. Der Hof ist mit großen, grob rechteckigen Kalksteinplatten ausgelegt.

Resümee und Perspektiven

Auch 2021 war es möglich, wichtige neue Erkenntnisse zur Entwicklung Doliches zwischen römischer Kaiserzeit und Spätantike zu gewinnen. Wichtigstes Ergebnis war dabei die Entdeckung eines neuen monumentalen Tempels. Durch die Fortsetzung der Grabungen im nächsten Jahr wird es möglich sein, seinen Grundriss und Aufbau besser zu rekonstruieren. Die Untersuchung des Baus wird einen wichtigen Beitrag zur Kenntnis der Entwicklung sakraler Architektur Südostanatoliens leisten. Hier zeigt sich zudem besonders deutlich die grundsätzliche Bedeutung der Arbeiten in Doliche für die Kenntnis der Religions- und Kulturgeschichte der gesamten Region.

Bei den Grabungen in der Dolichener Basilika konnte mit dem Bema im Mittelschiff ein wichtiges Bauelement der frühchristlichen Basilika am Südhang freigelegt werden. Dabei bestätigte sich, dass der Bau zu den größten und bedeutendsten Kirchen der Region gehört. Da Studien zu spätantiken Kirchenbauten der Region weitgehend fehlen, ist auch dies von großem wissenschaftlichem Interesse.